Wer bin ich ohne meine Maske?

Ein poetischer Blick auf das wahre Selbst

Wir alle tragen Masken – im Alltag, in Beziehungen, manchmal sogar vor uns selbst. In diesem poetischen Text erzähle ich von meinem Weg, diese Masken Stück für Stück abzulegen – und lade Sie ein, sich selbst wieder zu begegnen: mutig, leise und echt.

„Ich gehe heute auf einen Ball!“ – rufe ich durch die Tür, während ich vor meinem Schrank stehe. Es ist kein gewöhnlicher Schrank, sondern meine großzügige Sammlung an Identitätsmasken.

 

Meine Augen gleiten über die Auswahl. Einige davon sind verstaubt – Masken, die ich früher oft trug. Nicht weil sie mir gut taten, sondern weil es nötig war.

 

Meine Finger berühren eine feuerrote Maske mit aufgemalten Blitzen – die Kämpferin. Meine liebe Freundin. Wie oft hat sie mich beschützt und andere Seiten von mir verdeckt. Ich lächle. Sie hat mich lange begleitet. Heute nehme ich sie nur noch selten zur Hand – denn inzwischen kann ich für mich selbst einstehen. Trotzdem werde ich ihre Dienste nie vergessen. Ich bin ihr dankbar.

 

Daneben liegt eine schrille, bunte Maske – mit Steinen und Federn bestückt. Wo ich mit ihr auftauchte, wurde ich gesehen, bewundert. Sie nahm den Blick von meiner Trauer – einer Trauer, die ich selbst kaum benennen konnte. Auch diese Maske brauche ich nicht mehr.

 

Und doch gibt es Masken, die ich manchmal noch trage. Eine farblose, fast durchsichtige – anpassbar an jede Situation. Ich nehme sie nur noch selten – meist bei Menschen aus der Vergangenheit, für die meine Veränderung zu viel wäre, oder bei denen es zu aufwendig scheint, mich zu erklären. Sie selbst tragen meist auch noch Masken, ohne es zu wissen.

Mit dem Selbst auf dem Ball

Denn auf dem Ball des Lebens, den wir jeden Tag betreten, tragen die meisten Menschen Masken. Nicht weil es ein Maskenball ist – sondern weil sie gar nicht bemerken, dass sie ihre Masken nie abgelegt haben. Sie schlafen, essen, leben damit. Und wenn eine nicht mehr passt, greifen sie zur nächsten. Ohne Maske fühlen sie sich nackt, verletzlich, verloren. Wie ihr wahres Gesicht aussieht, wissen viele nicht mehr.

 

Ich schließe gedankenversunken die Tür, gehe langsam die Treppe hinunter und schaue mich um. Niemand ist da. Alle sind schon auf dem Ball. Auch ich werde erwartet. Ich ziehe mich an, werfe einen letzten Blick zurück – und trete hinaus in die Welt.

 

Draußen wimmelt es von Masken. Gesichter, die nicht ganz echt wirken. Augen, die vorsichtig bleiben. Blicke, die vorschnell urteilen – aus Angst vor dem Unbekannten.

 

Ich nehme heute meinen Mut mit. Ich trete auf mit meinem Selbst. Ohne Maske. Und ja – es erfordert Mut, Vertrauen und innere Stärke. Denn das Selbst ist nicht so leicht zu greifen wie die Masken. Es ist wandelbar – leise und laut, traurig und voller Freude, nah und fern, aktiv und empfangend. Es ist alles und nichts zugleich – und genau das macht es unberechenbar.

 

Für andere. Aber für mich ist es das größte Geschenk. Denn nur wenn ich meine Maske ablege, kann ich auch die anderen wirklich sehen. Nichts blendet mich mehr. Das Leben wird klarer – tiefer – echter. Und obwohl ich jeder Maske dankbar bin, die mich einmal geschützt hat, zeige ich mich heute, wo immer es geht, ohne sie. Jeden Tag ein Stück mehr.

Frage an Sie:

Welche Masken tragen Sie im Alltag? Welche würden Sie gerne ablegen?

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